Belize

Nachdem wir Anfang Juni von Antigua an die guatemaltekische Karibikküste gefahren waren, setzten wir unsere Reise fort in den wunderschönen, wilden und ursprünglichen Norden Guatemalas. Hier wohnten wir bei Freunden und hatten eine wunderbare Zeit, in der wir ganz in Ruhe die Gegend um Flores erkundet haben. Von Flores aus ging es dann weiter nach Belize. Auch hier haben wir das Glück, Freunde besuchen zu können, die wir lange nicht gesehen haben. Wir bleiben einige Tage bei Ihnen zuhause außerhalb von Belize City und fühlen uns genau wie schon in Flores sehr wohl. Auf Reisen bei einer befreundeten Familie unterzukommen ist einfach super und vor allem ein großer Spaß für die Kids.

Wir sind also einige Tage hier auf dem Festland und fahren für einige Tage auf zwei der berühmten Inseln von Belize, den Cayes. Caye Caulker und San Pedro sind unsere Ziele. San Pedro ist die berühmte “Isla bonita” aus Madonnas Lied. Während ich mich ja in Guatemala noch danach gesehnt hatte, ist das Wasser auf den Cayes von Belize nun genauso, wie mann sich die Karibik vorstellt. Die Blau- und Türkistöne sind wunderschön, der Sand strahlend weiß und an verschiedenen Stellen können wir Unterwasserbewohner wie Rochen, Fische und Seepferdchen beobachten. Die Rochen kommen an einer Stelle sogar ganz nah an den Strand ran und man kann sie problemlos berühren. Das Wetter ist traumhaft heiß und sonnig und wir verbringen viel Zeit im und am Wasser.

Trotzdem werde ich mit Belize irgendwie nicht so richtig warm. Es stören mich die hohen Preise und die touristischen Strukturen, die völlig auf US-amerikanische Bequemlichkeit ausgelegt sind. Sicher verstärkt sich das dadurch, dass wir gerade aus dem touristisch wenig erschlossenen und günstigen Guatemala kommen. Aber ich mag diese Art des Tourismus einfach nicht. Es fällt uns schwer, “typisches” Essen zu finden, die Region, in der wir auf dem Festland unterkommen, hat nicht viel zu bieten und die Inseln sind zwar wunderschön, aber für meinen Geschmack viel zu touristisch. Ich kann verstehen, dass es hier viele US-Amerikaner hinzieht, schließlich ist Belize das einzige Land in Zentralamerika, deren Amtssprache Englisch und nicht Spanisch ist. Die Sprachbarriere fällt somit weg. Das Wetter ist super und die paradiesischen Strände der Inseln auf jeden Fall einen Besuch wert. Trotzdem werde ich nicht warm mit diesem Land. Meinem Ehemann geht das genauso und daher geht es nach sechs Tagen weiter nach México, lindo y querido 🙂

In Guatemala unterwegs: Río Dulce und Livingston

Diese Woche haben wir Antigua verlassen und eine etwa einmonatige Reise durch Guatemala, Belize und bis nach Mexiko begonnen: Unsere derzeitige erste Station ist Río Dulce und die guatemaltekische Karibikküste. (Ja, Guatemala hat ein klitzekleines Stück Karibik abbekommen zwischen Belize und Honduras.) Die Region von Río Dulce ist zwar touristisch, aber nicht allzu sehr. Generell ist gerade Regenzeit, das heißt es regnet abends oder nachts ordentlich und es gibt viele Mücken. Dadurch ist gerade keine Saison und die Preise sind erschwinglicher. Touristen sehen wir sehr wenige und ausländische noch weniger. Das gefällt uns. Das Klima hier ist heiß und schwül, aber es gibt zum Glück viel Gelegenheit zum Abkühlen im Wasser: Fluss, See, Wasserfälle oder Meer.

Von Río Dulce sind wir an einem Tag mit einem öffentlichen Kleinbus zur Finca El Paraíso gefahren. Dort gibt es mitten im Dschungel einen wunderschönen Wasserfall, an dem man baden kann. Das Wasser der Kaskade ist heiß, weil es aus einer heißen Quelle stammt. Darunter fließt ein Fluss mit frischem, kühlem Wasser. Die Wassertemperatur mischt sich unterhalb des Wasserfalls und ist sehr angenehm. Der Wasserfall hat uns super gut gefallen und Frida wollte gar nicht raus aus dem Wasser.

Der Weg zum Wasserfall und zurück war allerdings nicht leicht, denn wir kamen in eine Straßensperre. Die Guatemalteken machen oft stunden- oder tagelang Straßensperren. Sie nutzen sie als Druckmittel, um auf irgendeinen Missstand hinzuweisen. In der Vergangenheit hatten wir bereits mehr Pech damit, diesmal ging es glimpflich: Auf dem Hinweg wurden wir noch durchgelassen und nur Lkws durften das Dorf, in dem die Sperre war, nicht passieren. Die Dorfbewohner haben seit drei Tagen keinen Strom und wollen so auf ihre Situation hinweisen und Druck machen, damit sie wieder Strom bekommen. Indem sie Lkws festhalten, können diese ihre Waren nicht in andere Gegenden bringen und so sind mehr Leute betroffen. Auf dem Rückweg durfte dann auch unser Kleinbus nicht mehr durch die Sperre. Wir mussten warten und fragen und konnten dann aber weiter: Zum Glück hatten sich die Fahrer der Busse organisiert und abgesprochen. Wir sind also ausgestiegen, haben die Sperre zu Fuß passiert und sind dann auf der anderen Seite in den nächsten Bus gestiegen, der uns zurück in die Stadt brachte.

Zwischen Río Dulce und dem Meer erstreckt sich Wasser: Teilweise ist es ein Fluss, teilweise eher ein See, immer umgeben von Mangroven und fast überall angenehm zum Schwimmen und Kayak fahren. Das Wasser ist badewannenwarm und es gibt keine Krokodile 😉 Mit dem Boot sind wir auf dem Wasser entlang nach Lívingston gefahren, einer abgelegenen kleinen Stadt, die man nur mit dem Boot erreichen kann. Lívingston liegt an der Mündung des Flusses ins Meer und ist kulturell eine Besonderheit in Guatemala, wo die Bevölkerung ja überwiegend Maya-Herkunft ist. Hier hingegen leben die Garífunas, eine Volksgruppe, die es an verschiedenen Punkten in der Karibik gibt. Ihre Herkunft ist auf eine Gruppe schiffbrüchiger Sklaven aus Afrika in der Kolonialzeit zurückzuführen. Sie sprechen eine einzigartige Sprache: Grundlage dafür waren verschiedenste afrikanische Sprachen, die sich dann (aufgrund der Kolonisation) mit französischen und englischen Einflüssen mischten. Später kamen die Garífunas nach Guatemala und Honduras und dort erhielt ihre Sprache auch noch spanische Einflüsse. Die Garífuna-Kultur wird hier in Lívingston gelebt und so erscheint uns dieser Ort, als wäre es gar nicht mehr Guatemala. Viel mehr stellen wir uns so wie hier Belize oder Jamaica vor. Die gedrungene, rundliche Statur der Menschen mit Maya-Wurzeln, wie wir sie sonst in Guatemala oft sehen ist hier kaum präsent. Dafür gibt es viele groß gewachsene, schlanke People of Colour. Außerhalb des Ortes gibt es ein paar schöne Strände, aber die klassische Vorstellung, die zumindest ich von der Karibik habe, ist das noch nicht. Vielleicht müssen wir dazu nach Belize oder Mexiko weiterreisen. Aber interessant ist dieser Ort auf jeden Fall!

Unsere Familiensprachen

Heute möchte ich über Mehrsprachigkeit in unserer Familie erzählen. Es gibt viele Familien, für die mehr als eine Sprache relevant sind und wenn Kinder mehrsprachig aufwachsen, ist das nicht immer einfach, aber auf jeden Fall bereichernd und spannend!

Unsere Tochter ist jetzt zwei Jahre alt. Mein mexikanischer Ehemann und ich sprechen jeweils in unserer Muttersprache mit ihr – ich also Deutsch und er Spanisch. Diese Methode heißt OPOL – One Parent One Language – und macht bei uns absolut Sinn. Unsere Tochter versteht uns in beiden Sprachen wunderbar und antwortet immer in einem fröhlichem Mix aus Spanisch und Deutsch. Bestimmte Wörter sagt sie nur auf Spanisch, andere nur auf Deutsch und einige auch in beiden Sprachen. Sie nimmt generell die Option, die kürzer oder einfacher ist. So sagt sie zum Beispiel “Ball” und nicht “pelota”, “agua” statt “Wasser” oder “malen” statt “dibujar”. Oft kann sie aber die Vokabel auch in beiden Sprachen und verwendet sie je nachdem, worauf sie Lust hat, zum Beispiel sagt sie gleichermaßen “rot” und “rojo”. Langsam entwickelt sie ein Gefühl dafür, dass Mama die eine und Papa die andere Sprache spricht und sagt zum Beispiel zu ihrem Papa “Papi, mira!” und zu mir “Mami, guck an!”. Das beginnt aber gerade erst. Insgesamt versteht sie noch nicht, dass sie zwei verschiedene Sprachen spricht und dass andere eine der beiden Sprachen mitunter nicht verstehen. So sagt sie zum Beispiel hier in Guatemala oft zu spanischsprechenden Nachbarn oder Freunden deutsche Vokabeln und dann erklären wir Eltern, was sie meint. Das Verständnis dafür, dass es sich um zwei voneinander getrennte Sprachen handelt, entwickeln (mehrsprachige) Kinder erst zwischen zwei und vier Jahren.

Bei uns in der Familie sind Deutsch und Spanisch also ständig präsent und in Benutzung. Mein Ehemann und ich sprechen untereinander Spanisch, aber er kann auch sehr gut Deutsch. Das macht die ganze Sache deutlich einfacher, denn so fühlt sich niemand ausgeschlossen, wenn eine Sprache gesprochen wird. Auch wenn wir in der Öffentlichkeit sind, sprechen wir weiterhin zwei Sprachen. Wenn wir zu dritt unterwegs sind, sind unsere Konversationen gemischt Deutsch-Spanisch, wenn ich alleine mit der Kleinen draußen bin sprechen wir aber nur Deutsch. Da gibt es hier in Guatemala viele Menschen, die verwundert oder interessiert gucken, wenn sie uns Deutsch sprechen hören. Viele denken erstmal, wir sprechen Englisch und fragen mich dann in gebrochenem Englisch etwas. Dann antworte ich meist auf Spanisch um zu signalisieren, dass wir auch Spanisch sprechen, was die meisten erstmal überrascht. Am Anfang war mir das nicht klar, aber ich habe hier in Guatemala gelernt, sprachlich den ersten Schritt zu gehen: Wenn wir zum Beispiel auf einem Spielplatz sind und ein anderes Eltern-Kind-Paar auch dort spielt oder sich nähert, sage ich oft einen Satz auf Spanisch zu ihnen. So zeige ich, dass wir auch Spanisch sprechen und öffne die Tür für ein Gespräch oder ein Spiel. Mache ich das nicht, werden wir nur angeschaut, aber nicht angesprochen.

Im Beisein von anderen Menschen habe ich in den letzten Monaten auch gelernt, konsequent zu sein: Ich spreche konsequent Deutsch mit unserer Tochter und das ist total wichtig! Man kann sich schnell verleiten lassen, im Beisein von spanischsprechenden Freunden zum Beispiel Spanisch zu sprechen. Ich dachte: “Nicht, dass die das sonst unhöflich oder komisch finden, wenn ich deutsch rede…”. Nein, komisch oder unhöflich fand das bisher niemand, alle finden es gut, interessant, und irgendwie besonders. Natürlich gibt es mal einen Satz, den ich auf Spanisch sage, damit ihn zum Beispiel alle anwesenden Kinder verstehen und nicht nur meine Tochter. Aber das ist die Ausnahme und muss für mich auch die Ausnahme bleiben. Ansonsten ist es schwierig, die Grenze zu ziehen, denn Spanisch ist überall um uns herum und schnell würde ich dann nur noch Spanisch mit der Kleinen sprechen.

Englisch spielt bei uns in der Familie bisher keine Rolle. Auch wenn wir Eltern beide Englisch sprechen, ist es uns im Moment nicht wichtig, das an unser Kind weiterzugeben. Nicht so wichtig, wie Spanisch und Deutsch zumindest. Englisch kann man auch in der Schule lernen, finden wir. Ich erzähle das, weil uns hier in Guatemala viele Menschen fragen, was denn mit Englisch sei, warum die Kleine das (noch) nicht lerne oder wann sie es denn lernen würde. Wenn hier Familien zweisprachig sind, dann bedeutet das eben meist, dass die Familiensprachen Spanisch und Englisch sind, da hier viele US-Amerikaner leben und sehr viele Guatemalteken auch in die USA auswandern oder ausgewandert sind. Oft haben wir in unserer Wohnanlage Familien, die eine oder zwei Wochen Urlaub machen. Am Pool kommt man ins Gespräch. Immer wieder sind Menschen aus Guatemala dabei, die mit ihren Partnern/innen und Kindern in den USA leben und nun die guatemaltekische Verwandtschaft besuchen. Oft ist es dann so, dass sich die Kinder nicht mit ihren guatemaltekischen Großeltern verständigen können, weil die Kinder kein Spanisch und die Großeltern kein Englisch können. Das finde ich total schade und ist für mich ein klares Beispiel dafür, was ich nicht möchte für meine Familie. Ich möchte, dass unserer Tochter einmal sprachlich und kulturell alle Türen offen stehen – durch welche Tür sie dann geht, ist ihre Entscheidung.

Gibt es bei euch auch mehrere Sprachen in der Familie? Welche sind das und wie geht das bei euch? Erzählt mal! 🙂

Leben in Antigua, Guatemala

Gestern war Muttertag in Guatemala, dem Land, in dem ich mich zur Zeit mit meiner Familie befinde. Zum Muttertag mache ich mir selber ein Geschenk und nehme die Blogaktivität nach über drei Jahren Pause wieder auf.

Ich möchte euch heute von unserem Leben in Antigua erzählen, denn ich habe festgestellt, dass es in deutscher Sprache wenig (Reise-) Informationen über Guatemala gibt. Wahrscheinlich ist das Land einfach so klein und weit weg, dass es viele nicht auf dem Schirm haben.

Wir leben nun seit September vergangenen Jahres hier in Antigua, Guatemala, und werden noch bis Juni hierbleiben. Antigua ist eine koloniale Kleinstadt etwa 1,5 Autostunden von Guatemala City, der Hauptstadt des Landes, entfernt. Für uns sind absolute Pluspunkte von Antigua die Ruhe, Sicherheit und Entspanntheit im Vergleich zur Hauptstadt. Wir lieben das Zentrum mit den bunten, flache kolonialen Gebäuden in denen sich viele Läden und schnuckelige Cafés verstecken. Für uns ist alles fußläufig erreichbar – ein weiteres Plus! Für den täglichen Bedarf finden wir alles im Zentrum, auf dem Markt oder im örtlichen Supermarkt. Um speziellere Dinge einzukaufen, muss man allerdings nach Guatemala City fahren. Auch gibt es kein Kino und nur wenig kulturelles Angebot in Antigua.

Das Herz des kolonialen Zentrums bildet der Parque central. Ein Platz, auf dem alle zusammenkommen: indigene Frauen, die in ihrer traditionellen Kleidung Souvenirs verkaufen, Kinder, die die vielen Taube füttern oder ihnen Freude jauchzend hinterherjagen, Männer, die Handyhüllen verkaufen oder Schuhe putzen, Touristen, die über den Platz schlendern, Familien die gemeinsam Eis essen, verliebte Paare, die Selfies vor dem großen Brunnen in der Mitte des Platzes machen und Leute, die auf einer der Bänke im Schatten der vielen Bäume eine kleine Pause machen.

Antigua ist ein touristisches Ziel – sowohl für Guatemalteken, die aus der Hauptstadt kommen und einen Tag oder ein Wochenende hier verbringen, als auch für internationale Touristen, die Guatemala kennenlernen wollen. Internationale Touristen bedeutet hier vor allem US-Amerikaner, aber man trifft auch europäische Backpacker und andere Reisende. In Antigua leben außerdem viele (US-amerikanische) Ausländer. Ich hatte vor unserer Ankunft erwartet, die guatemaltekische Kultur kennenzulernen. In Wirklichkeit habe ich aber nicht nur die kennengelernt, sondern ich habe auch viel über die US-amerikanische Kultur dazugelernt. Durch die vielen Ausländer, die hier leben, gibt es z.B. ein breites Angebot an Restaurants und auch vegetarisch oder vegan lebende Menschen finden etwas zu essen (was sonst vielleicht etwas schwieriger wäre). Es bedeutet aber auch, dass die Preise gerade in Restaurants oder Hotels durchaus europäisches Niveau haben. Im Vergleich zum Rest des Landes ist Antigua sehr teuer.

In Antigua bekommt man einen Einblick in die guatemaltekische Kultur, ohne auf Sicherheit oder gewisse Standards bei Komfort und Hygiene verzichten zu müssen. Antigua ist eine Blase, das ist mir inzwischen bewusst. Es ist nicht wie der Rest des Landes, aber Antigua ist eine wunderschöne Blase, in der es sich gut leben lässt. Das Klima ist das ganze Jahr über angenehm, nicht zu heiß und nicht zu kalt.

Wir haben uns von Anfang an als Familie in Antigua sehr wohl gefühlt, vor allem wegen der Sicherheit, dem schönen Zentrum und den vielen Orten, die es in der Umgebung zu erkunden gibt (dazu bald mehr in einem anderen Post).

Zuhause

In letzter Zeit habe ich viel darüber nachgedacht, wo mein Zuhause ist. Auf den ersten Blick scheint das vielleicht eine leicht zu beantwortende Frage zu sein, aber je mehr ich darüber nachdenke, umso vielseitiger werden auch meine Antworten auf diese Frage. Also habe ich mich jetzt dazu entschlossen, darüber zu schreiben.

Wenn man nach dem Wohnort geht ist die Sache recht eindeutig. Dann ist das Zuhause laut Personalausweis auf eine Adresse festgelegt. Meine Zuhause ist also zum Beispiel die Nummer 7 in der Straße Feldweg in einer mit Postleitzahl bedachten Stadt oder einem Ort. So weit, so gut. Da fängt aber das Dilemma schon an, denn spätestens wenn das Studium beginnt, fragen sich viele junge Menschen, welches nun ihr Wohnort ist – der Ort an dem sie während der Ausbildung wohnen oder doch weiterhin ihr “Kinderzimmer” bei den Eltern? Abgesehen von einer amtlichen Frage (Wo bin ich gemeldet?) ist dies natürlich auch eine emotionale Entscheidung abhängig davon, wie lange man plant, am Ort der Ausbildung zu bleiben oder ob man jede Semesterferien sowieso bei den Eltern verbringen wird.

Bisher habe ich also offiziell an zwei Orten gewohnt – in meinem Heimatort in Schleswig-Holstein und während meines Bachelorstudiums in Hessen. Aber ein Wohnsitz oder ein Haus/ eine Wohnung ist ja noch kein Zuhause… Und außerdem tauchen in dieser Statistik meine diversen Auslandsaufenthalte nicht auf, weil ich während dieser Zeit ja trotzdem in Deutschland gemeldet war.

Christian Morgenstern hat mal gesagt “Nicht da ist man daheim, wo man seinen Wohnsitz hat, sondern wo man verstanden wird.” So gesehen ist Mexiko auf jeden Fall auch meine Heimat, denn dort habe ich mich immer verstanden gefühlt, obwohl ich mich nicht immer so ausdrücken konnte, wie ich wollte. Auch familiär gesehen habe ich in Mexiko ein (zweites) Zuhause gefunden, denn meiner Meinung ist ein Zuhause dort, wo man seine Lieben hat (Home is where the heart is). So kann also auch ein fremder Ort ein Zuhause werden, wenn man sich dort “einlebt” und von lieben Menschen umgeben ist.

“Was hilft es mir, wenn ich in der ganzen Welt herumreise und nirgends zuhause bin?” fragte Paul Schibler einst und ich denke, dass auch solch eine Erfahrung durchaus wichtig ist. Es kann immer passieren, dass das “Zuhause” erschüttert wird durch den Verlust eines geliebten Menschen oder die Veränderung der Umgebung oder sonst was. Ich denke, es ist wunderbar, wenn man ein Zuhause hat wohin man immer wieder zurückkehren kann, aber es ist genauso wichtig, sich in die Welt zu wagen und (zumindest eine Zeit lang) ohne ein greifbares Zuhause zurechtzukommen. Außerdem ist das “Nach Hause kommen” nach einer großen Reise ja noch viel schöner und zumindest ich schätze dann wieder viel mehr, was ich zuhause habe und an anderen Orten nicht. Das können materielle Dinge wie die Spülmaschine sein, von Mama bekocht zu werden oder einfach die Unterstützung der Familie zu spüren.

Während meines Studiums habe ich ein Semester im Süden Brasiliens verbracht – weit weg von sowohl meinem deutschen als auch meinem mexikanischen Zuhause. Und ja, das hatte ich mir so ausgesucht, weil ich Portugiesisch lernen wollte. Während der Monate dort hatte ich durchaus mal Heimweh, weil ich kein wirkliches “Heimatgefühl” bekam, aber ich machte das Beste daraus, reiste viel und studierte fleißig. Am Ende des Semesters kam Gus mich besuchen und fragte mich auf unserer gemeinsamen Brasilienreise, ob ich ihn heiraten wollte! Während ich also in den vorigen Monaten mein Zuhause vermisst hatte, fragte mich Gus nun, ob ich für immer sein und er für immer mein Zuhause sein solle. Das scheint mir im Nachhinein mehr als nur Zufall.

Nun dauert es nicht mehr lange, bis ich ein Masterstudium in Berlin beginne und somit steht für uns bald ein Umzug in die Hauptstadt bevor. Trotzdem haben wir auch weiterhin unser Zuhause bei meiner Familie in Norddeutschland und bei seiner in Mexiko. Ich habe also in den letzten Jahren gelernt, dass mein Zuhause überall sein kann und ich auch mehrere Zuhauses haben kann. Mein Zuhause an der Ostsee ist das älteste und ich muss dabei oft an das Lied denken: “Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer, wie Wind und Weite und wie ein Zuhaus”.  Mein Zuhause in Mexiko ist neuer, noch nicht so “fest” und ich kenne es noch nicht so gut, aber es ist mir genauso ans Herz gewachsen. Beide Zuhauses bestehen aus bestimmten Menschen und Orten. Die Zuhauses verändern sich und können Überraschungen bereithalten und manchmal sind sie auch zusammen, wenn zum Beispiel Besuch aus Mexiko nach Deutschland kommt oder andersherum. Tja, und mein Ehemann ist mein Zuhause egal wo wir gerade sind – ob in Mexiko, in Deutschland oder an irgendeinem anderen Ort in dieser schönen Welt.

Wenn einer eine Reise tut

Der Sommer neigt sich dem Ende zu und so auch eine Zeit voller Reisen und vieler schöner Momente mit unseren mexikanischen Gästen. Von Mitte Juni bis Mitte August hatten wir Besuch von einem guten Freund und unserer Nichte aus Mexiko. Für beide war es die erste Reise außerhalb Mexikos und für insere Nichte auch das erste Mal fliegen – und dann war es gleich so eine große Reise und so ein langer Flug!

Wir haben ca. 1 Monat bei uns in der Gegend verbracht mit Dingen, die für mich ganz normal sind, für die beiden aber etwas Besonderes, zum Beispiel Fahrradtouren, Erdbeeren und Himbeeren selber pflücken, Ausflüge an die Nordsee oder auf die Kieler Woche und spannende Aktivitäten wie klettern im Hochseilgarten oder für ein paar Stunden „blind sein“ im Dialog im Dunkeln in Hamburg. Es war schön zu sehen, wie gut den beiden meine Heimat gefiel und wie sie die Ruhe und Ordnung in Deutschland genossen. Alles schien ihnen sehr „behütet“ und „aufgeräumt“ und sie waren begeistert, wie herzlich sie in der gesamten deutschen Familie aufgenommen wurden. So verbrachten wir unsere Tage miteinander mit Ausflügen und Kuchen essen, am Strand und auf dem Fahrrad – wie es sich für einen norddeutschen Sommer eben gehört 😉 Auf der Kieler Woche fanden wir sogar ein Zelt mit Latino Musik und da unsere Gäste das Tanzen lieben war der Abend somit ein voller Erfolg 😉

Schließlich begannen wir unsere Europareise mit unseren Gästen. Unsere Route führte uns von Norddeutschland nach Berlin, von dort mit dem Flugzeug nach Budapest und nach Italien. In Italien entdeckten wir viele Orte per Interrail und dann ging es noch weiter nach Paris und Amsterdam für die eine Hälfte von uns (4 Leute), die andere reiste über die Schweiz zurück nach Deutschland (3 Leute). Ja, genau – wir waren insgesamt zu siebt unterwegs! Ich sage euch ganz ehrlich: Es war eine tolle Reise, aber es war manchmal auch echt anstrengend, wenn so viele verschiedene Vorstellungen aufeinandertreffen. Jeder hat andere Vorzüge was Essen und Tagesplanung angeht. So mussten wir uns erstmal als Gruppe zusammenfinden, Aufgaben verteilen und uns natürlich ständig austauschen – über unsere Pläne und Mägen, denn wenn der eine schon fast stirbt vor Hunger, ist der andere vielleicht noch gar nicht hungrig und jeder weiß ja, dass bei leerem Magen die schlechte Laune nicht weit ist. Allgemein denke ich, ist es wichtig, sich zu besprechen, was man machen oder sehen möchte. Wenn die Ideen da sehr auseinandergehen ist es auch keine Schande, sich an einem Tag mal getrennt auf den Weg zu machen. Beispielsweise haben wir das ab und an am Abend gemacht, wenn einige von uns schon müde waren und die anderen noch ein bisschen den Ort entdecken wollten. Auch ist es gut, sich die Organisation aufzuteilen, also sowohl die Vorarbeit (in unserem Fall Flüge, Interrail und Unterkünfte buchen) als auch die Sachen, die vor Ort gemacht werden müssen (in unserem Fall einkaufen, weil wir immer in airbnbs/ Ferienwohnungen untergebracht waren, Touristeninformation an den jeweiligen Orten herausfinden etc.). Dabei sollte man natürlich auch auf die Sprache achten, denn bei uns war es zum Beispiel so, dass es den Spanischsprechenden unter uns leichter fiel, Italienisch zu verstehen, als denjenigen, die kein Spanisch sprechen. Dann mussten wir in unserem Fall in einigen Situationen auch bedenken, dass wir aus verschiedenen Kulturen stammen (zum Beispiel war den Mexikanern bei Abfahrtszeiten manchmal nicht klar, dass das keine ungefähre Angabe ist, sondern der Zug weg ist, wenn wir eine Minute zu spät sind), verschieden alt sind und daher unterschiedliche Verantwortungen übernehmen (einkaufen, planen usw.) und außerdem unterschiedlich viel Erfahrung mit dem Reisen haben. Schließlich muss man auch das Geld bedenken, denn auch, wenn man sich als Gruppe auf ein Ziel und eine gewisse Art zu Reisen generell im Vorfeld einigt, sollte man bedenken, dass doch alle unterschiedliche Budgets haben und der eine vielleicht lieber auf ein Essen in einem Restaurant verzichtet um den Eintritt zu einer Sehenswürdigkeit zu bezahlen, während ein anderer nicht über Geld nachdenken muss und es sich gut gehen lassen will.

Wenn ihr all diese Dinge bedenkt und ansprecht, wird es bestimmt eine gute Erfahrung, mit anderen zu reisen 😉

Auf dieser Reise stellte ich auch wieder fest, dass das Gute oft so nah liegt. In den letzten Jahren wollte ich immer weiter weg und vor allem Orte in Mexiko und auf dem ganzen amerikanischen Kontinent erkunden. Europa schien mir viel zu nah an Deutschland, an Zuhause. Aber Europa ist so unglaublich vielfältig und toll zum Reisen durch die hohe Sicherheit und kurzen Wege! Ungarn ist eine ganz andere Welt als Italien oder die Niederlande und all das ist nur einen Katzensprung von Deutschland entfernt! Es muss ja auch nicht gleich eine wochenlange Europareise sein, aber es gibt so viele Ziele innerhalb Europas, die sich mit einem verlängerten Wochenende entdecken lassen!

Mich persönlich hat unsere Europareise (übrigens meine zweite Europareise, die erste war vor 5 Jahren mit Gus) also weitergebracht: Ich habe gelernt, Europa wieder mehr zu schätzen, habe gelernt, mit einer Gruppe zu reisen und wieder einmal festgestellt, wie viel Spaß es mir macht, unterwegs zu sein. Die kommenden zwei Jahre in Deutschland möchte ich definitiv nutzen, um mit Gus noch mehr Ecken Europas zu entdecken!

Meine mexikanischen Macken

Seit genau einer Woche bin ich wieder in Deutschland, in meiner Heimat Schleswig-Holstein. Ich habe schon viele liebe Menschen wiedergesehen und genieße meine Heimat in vollen Zügen. Sie zeigt sich aber auch von ihrer besten Seite mit Sonne, Rhabarber und blühenden Bäumen und Blumen überall! Langsam werden die Rapsfelder gelb und ich erfreue mich an den (im Vergleich zu Mexiko) längeren Tagen, dem Fahrradfahren und dem geordneten Leben. Beim “Wiedereinleben” in meine Heimat sind mir ein paar “Macken” aufgefallen, die ich aus Mexiko mitgebracht habe:

Mexikanisches Straßenverhalten: Neulich bin ich das erste Mal hier Auto gefahren. Ich bin bevor ich nach Mexiko gegangen bin nicht oft Auto gefahren und war oft unsicher in Situationen auf der Straße, beim Einparken und so weiter. Diesbezüglich habe ich in Mexiko viel gelernt und viel Fahrpraxis bekommen, allerdings habe ich mir damit auch ein bisschen das mexikanische Fahrverhalten angewöhnt. So muss ich mich erst wieder an Fahrradüberwege, Geschwindigkeitsbegrenzungen und das im Vergleich zu Mexiko nette Fahrverhalten gewöhnen, denn dort muss man sich als Autofahrer vieles erkämpfen und hierzulande wird man dagegen einfach mal vorgelassen. Und klar definierte Verkehrsregeln gibt es auch – wie schön!

Schlösser: In Mexiko ist nicht immer ganz klar, wie man Türen aufschließt, mal im Uhrzeigersinn und mal entgegengesetzt, unabhängig davon wie die Tür und das Schloss eingebaut sind. Hier in Deutschland dreht man dagegen eigentlich immer den Schlüssel von der Tür weg um aufzuschließen und zur Tür hin um sie zuzuschließen. Nun stellt euch mal vor, wie ich mit meinem Schlüssel vor unserer Tür stehe, ihn erstmal falschherum reinstecken will und dann auch noch falschherum “auf”schließe….

Zeitmanagement: Man könnte auch sagen Pünktlichkeit 🙂 Ja, ich weiß, dass es ein Klischee ist, aber es ist wahr! Ich überlege mir, um wie viel Uhr ich aus dem Haus gehen will, um pünktlich zu sein und dann kommt doch alles anders… Wir hier in Deutschland leben viel mehr nach konkreten Uhrzeiten, während man in Mexiko viel öfter sagen kann “Ich komme später vorbei” oder “Das mache ich gleich” und man muss dabei “später” und “gleich” nicht genauer definieren, wenn es morgen wird ist das auch ok. Dieses “In-den-Tag-hinein-leben” fehlt mir schon ein bisschen, aber ich werde es mir auch bewahren 😉

Kleidung: Zum Beispiel beim Tragen von Sommerkleidern gibt es da eine fiese Ironie: In Mexiko ist die Temperatur angemessen, um sie zu tragen, aber die Gesellschaft ist nicht angemessen, also einem wird hinterhergepfiffen, Mädchen werden teilweise angequatscht oder sogar entführt. Man zieht sich lieber nicht so sommerlich an um nicht aufzufallen. Und hier in Deutschland, wo man Sommerkleider ohne Probleme tragen könnte (ohne dabei aufzufallen) ist es oft zu kalt dafür! Zumindest für mich, denn wenn man sich erstmal an die mexikanische Sonne gewöhnt hat, ist das norddeutsche Wetter nicht ganz einfach…

Sprache: Ich habe die letzten 1,5 Jahre nur Spanisch im Alltag gesprochen außer beim Skypen mit meiner Familie. Und ja, dass muss ich erstmal aus dem Kopf bekommen und auf “Deutsch” umstellen. Wenn ich mich konzentriere, ist das kein Problem, aber ich habe manchmal Wortfindungsschwierigkeiten oder stottere vor mir her, weil der Satzbau in meinem Kopf keinen Sinn ergibt und es passiert mir tatsächlich auch, dass ich spontane Ausrufe oder Reaktionen auf Spanisch sage.

Ich denke, das wichtigste sowohl bei meinen mexikanischen Macken als auch bei meinen deutschen Eigenheiten (Gus nennt mich manchmal “zu deutsch”) ist, dass ich weiß, wann ich welche Seite mehr nutzen sollte. Ich freue mich, wenn ich manche Dinge auf mexikanische Weise gelassener sehen kann als meine Eltern und auch, wenn dank meiner Organisation etwas gut klappt, was Gus als “da müssen wir nichts organisieren” abgestempelt hatte 🙂 Bei so vielen kulturellen Eigenschaften, die es zusammengenommen in Deutschland und Mexiko gibt, ist es eben am besten, wenn ich mir von beiden Seiten das Beste aussuche 🙂

 

Barrancas del Cobre – die Kupferschlucht

Letzte Woche hatte ich das Glück, endlich eine Reise in den Norden Mexikos zu unternehmen, die Gus und ich schon lange vorhatten: Im Bundesstaat Chihuahua gibt es ein System von Canyons, was viermal so groß ist wie der Grand Canyon in den USA: die Barrancas del Cobre, die Kupferschlucht. In dieser Sierra die dünn besiedelt, von sagenumwogenen Tarahumaraindianern bewohnt wird und als das wohl größte Drogengebiet Mexikos gilt, verbrachten Gus und ich gemeinsam mit zwei guten Freunden eine wunderbare Woche.

Ich weiß, bei den Worten “Drogenanbaugebiet” und “Mexikos Norden” schellen bei Vielen die Alarmschellen. Tatsächlich fühlten wir uns jedoch nie unsicher auf dieser Reise. Die Orte, die wir besuchten sind zwar winzig und abgelegen, aber trotzdem touristisch. Und die Drogenbarone in diesem Teil des Landes bedeuten absolut keine Bedrohung für die Bevölkerung, sie sind sogar oft hilfreich, denn sie sorgen sich um Ordnung, wo die Polizei nichts tut und helfen der Bevölkerung zum Beispiel wenn jemand aus einem abgelegenen Ort in ein Krankenhaus gebracht werden muss. Also an alle besorgten Mütter (meine eingeschlossen): Kein Grund zur Sorge 😉

Bei der Vorbereitung dieser Reise, die meine Aufgabe war, fiel mir zuerst auf, wie wenig Information und vor allem wie viel sich widersprechende Informationen man im Internet zu dieser Gegend findet. Die Wegzeiten zwischen zwei Orten variieren stark, die Orte sind winzig und viele Hotels haben kein oder kaum Internet und daher ist es nicht so leicht an Informationen heranzukommen. Wir machten die Reise durch die Barrancas ganz “klassisch” mit dem Zug El Chepe, der durch die gesamte Sierra führt, von der Stadt Chihuahua bis nach Los Mochis am Pazifik.

Die Zugreise war sehr angenehm und streckenweise landschaftlich bildschön. Trotzdem muss ich ehrlich sagen, dass man auch in den Orten, wo der Zug hält, aussteigen muss um die Schönheit der Kupferschlucht kennenzulernen. Wir fuhren am ersten Tag von Chihuahua nach Creel. Creel ist wohl der größte Ort in der Sierra Tarahumara und auf jeden Fall der mit der meisten touristischen Infrastruktur. Trotzdem ist der Ort recht klein und man hat ihn schnell zu Fuß komplett abgelaufen. In Creel gibt es viele Sachen außerhalb des Ortes zu sehen, welche wir dann am Nachmittag auch gleich alle besuchten. Unsere Highlights dieses Tages an dem wir insgesamt glaube ich 10 Orte sahen, waren der Wasserfall Cusárare und das Tal der Mönche:

Während unserer ganzen Reise lernten wir die Tarahumaraindianer kennen (eigentlich: Raramuri), die oft ganz einfach in Höhlen leben, ohne Strom oder fließendem Wasser. Sie leben größtenteils autonom und bauen Gemüse etc. selber an, verdienen nur etwas Geld mit dem Verkauf ihrer wunderschönen Handarbeiten. Der Arbeitsaufwand, der dahintersteckt, ein Körbchen aus Kiefernadeln zu flechten, steht in keinerlei Verhältnis zu dem Spottpreis, den sie für diese Arbeit verlangen.

Unsere nächste Station war am Tag darauf Divisadero beziehungsweise Posada Barrancas, wo wir zwei Nächte blieben und die Kupferschlucht so kennenlernten, wie man sie überall auf Bildern sieht:

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Hier kann ich jedem nur wärmstens den Parque de Aventuras Barrancas del Cobre empfehlen, wo es Aktivitäten gibt wie Klettern, Seilrutsche und Seilbahn und all das vor dem wunderbaren Panorama der Kupferschlucht. Ihr könnt euch vorstellen, was für einen tollen Tag wir hatten 😉

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An der nächsten Haltestelle, die nur ca. 2 h von Divisadero entfernt ist, zeigten sich uns die Barrancas dann in Cerocahui und Urique nochmal von einer ganz anderen Seite, viel grüner als zuvor:

Wir fuhren bis hinunter in den Canyon ins Dorf Urique und wurden dort von tropischem Klima überrascht. Während uns oben an der Schlucht einstellige Temperaturen zu schaffen machten, wuchsen hier unten Mango- und Papayabäume und es waren auf einmal über 30 Grad! Diese verschiedenen Gesichter der Kupferschlucht ist das, was mich am meisten erstaunt hat, denn ich hatte zuvor nur das Bild der Landschaft im Kopf, wie sie im Parque de Aventuras ist. Tatsächlich sind die Barrancas aber sehr vielseitig, und ich kann eine Reise in diese faszinierende Gegend wirklich jedem empfehlen!

Vermittlerin zwischen zwei Kulturen

Seit ein paar Wochen arbeite ich als Dolmetscherin im technischen Bereich. Es geht bei diesem Projekt darum, zwischen ein paar deutschen Technikern und mexikanischen Arbeitern zu übersetzen. Dieses Training ist das erste Mal, dass ich mehrere Wochen am Stück übersetze und es fällt mir dabei immer wieder auf, dass ich nicht nur als Dolmetscherin, sondern vor allem auch als Vermittlerin zwischen zwei Kulturen fungiere.

Die deutsche “Zackizacki-Mentalität” trifft auf die mexikanische “Ausredenwirtschaft”, wie ich sie nennen möchte. Man muss sich das so vorstellen: Der Deutsche fragt den Mexikaner eine konkrete Frage. Ich übersetze ihm diese Frage und der Mexikaner antwortet. Allerdings beantwortet er nicht die Frage, sondern windet sich wie eine Schlange um eine konkrete Antwort, die er offensichtlich, warum auch immer, nicht geben will. Also übersetze ich diese Antwort, die keine Antwort ist an den Deutschen. Dieser denkt sich: “Hey, das ist doch gar nicht die Antwort auf meine Frage” und fragt nochmal mit anderen Worten oder auf andere Art und Weise. Das übersetze ich dem Mexikaner und wieder weicht dieser der Antwort aus. So geht das weiter bis man irgendwann mit viel Geduld und Hartnäckigkeit die Antwort auf eine Frage bekommt, die man in einem Satz hätte beantworten können. Überhaupt scheint für die Deutschen auf den ersten Blick hier alles viel komplizierter als bei ihnen im heimischen Werk: Vorgänge werden hier in Mexiko durch (unlogische) Sicherheitsvorschriften und allgemeine Organisationsprobleme erschwert oder gar unmöglich gemacht. Ein einfaches Beispiel: Während man in Deutschland einfach Teile aus einer Kiste rausnehmen kann und so schnell weitermachen kann, wenn ein Teil mal kaputt ist, sind die Teile hier in Mexiko genau gezählt. Es wird mit einem Baukastenprinzip gearbeitet wo die genaue Anzahl von Teilen drin ist. Auf die Anmerkung, dass das doch unpraktisch sei und die Produktion aufhalte, wenn mal ein Teil fehlerhaft ist, entgegnen die Mexikaner: “Ja, aber wenn wir das gleiche System wie in Deutschland verwenden, verschwinden hier Teile, weil sich Leute die mit nach Hause nehmen.” Die Deutschen fühlen sich anhand solcher Aussagen machtlos und gelangen in einen Konflikt mit ihrer Arbeitsmoral. Denn in Deutschland fühlen wir uns schließlich unserer Arbeit verpflichtet. Wir denken mit und weiter und bleiben nicht nur an einem Vorgang hängen. Diese Arbeitsmoral ist zwar für den Arbeitgeber erstmal gut, aber kann natürlich auch zu Stress führen, wenn man sich emotional nicht auch ein bisschen distanziert und die Arbeit nach Feierabend einfach Arbeit lassen sein kann. Da ist die mexikanische Mentalität für den einzelnen Arbeitnehmer schon vorteilhafter, wenn sie auch für den Arbeitgeber ein Albtraum ist, denn der allgemeine mexikanische Arbeiter fühlt sich seiner Arbeit nicht wirklich verpflichtet. Wenn etwas falsch oder nicht mehr vorhanden ist, ist es nicht selbstverständlich, dass man dem Vorarbeiter Bescheid gibt und in der Zwischenzeit arbeiten sie einfach falsch weiter oder unterhalten sich mit ihren Kollegen. Die wenigsten denken mal über ihre Aufgabe hinaus mit und allgemein herrscht die im Land so verbreitete Einstellung “Komm’ ich heut’ nicht, komm’ ich morgen” auch bei der Arbeit. Gern genommen ist auch die Erklärung: “Das ist nicht meine Aufgabe.”

Da sind die Deutschen schon um einiges organisierter und strukturierter. Wenn es in Deutschland ein Problem gibt, wird eine Lösung gesucht. Wenn es in Mexiko ein Problem gibt, hören die Deutschen viele verschiedene Erklärungen und Ausreden, warum etwas nicht funktioniert, aber an einen Lösungsansatz denkt man erstmal nicht.

All diese Dinge über unterschiedliche Kultur, Arbeitsmoral und Organisation einer Firma sind den Deutschen vor Ankunft in Mexiko eher selten klar. Daher müssen wir als Dolmetscher auch erklären und vermitteln. Mexikanern kann man die Dinge nicht so hart und direkt sagen wie unter Deutschen. Wenn die Deutschen unter sich mal lautwerden, mache ich mir keine Sorgen, weil ich weiß, dass das einfach mal raus muss. Aber die Mexikaner schauen besorgt, denn laut werden aus Wut gibt es hier nicht. Man sagt sich die Dinge ruhig und gelassen, auch wenn es schwierige Themen sind, aber nicht mit hochrotem Kopf und erhobener Stimme. So wie die Mexikaner also den Antworten ausweichen, so sind die Deutschen zu direkt, denn wenn ich ihre wütenden Worte manchmal direkt übersetzen würde, wären die Mexikaner sehr gekränkt und würden vermutlich die Arbeit komplett verweigern. “Das ist doch totale Scheiße.” wird daher auf Spanisch zu sowas wie “Eso está muy mal.” (Das ist sehr schlecht.)

Das wichtigste ist wie so oft auf beiden Seiten Toleranz und Geduld, denn sonst sind die Deutschen frustriert, weil sie mit der “Zackizacki-Mentalität” nicht weiterkommen und die Mexikaner sind frustriert, weil sie Ärger bekommen. Sie werden unsicher, weil sie Dinge falsch machen und wollen aus Unsicherheit noch weniger Verantwortung als sowieso schon übernehmen, denn in der “Ausredenwirtschaft” wird so wenig Verantwortung wie möglich übernommen.

Mir bleibt an dieser Stelle nur, aufzuzeigen, was man voneinander lernen kann. Auch ich muss manchmal noch daran arbeiten, mein “Deutschsein” abzulegen oder an Mexiko anzupassen, aber ich arbeite daran 🙂 Wenn alle beteiligten Personen aus der Erfahrung lernen, dann übernehmen die Mexikaner in Zukunft hoffentlich mehr Verantwortung, organisieren Vorhaben im Vorfeld besser und kümmern sich um Dinge, die sie etwas angehen anstatt, zu sagen “Ist mir egal”. Die Deutschen hingegen müssen lernen, dass sich Pläne ändern können, dass man die Arbeit nicht immer so ernst nehmen muss und das es manchmal schlichtweg verschwendete Energie ist, sich über Dinge aufzuregen, die man sowieso nicht ändern kann.

 

Kuchen und Schokolade

Immer wieder werde ich von Mexikanern gefragt, wie ich mit der mexikanischen Küche zurecht komme und was ich vermisse vom deutschen Essen. Das beantworte ich immer gleich: Mir fehlt Schwarzbrot, deutsche Schokolade, Kuchen und Lakritz. Ok, Lakritz ist etwas sehr spezielles, was auch in Deutschland zugegeben nicht jeder mag, deshalb ist das ein wenig außen vor. Dass es Schwarzbrot nur bei uns gibt ist auch jedem klar, der mal in Südeuropa war und sich dort mit Weißbrot arrangieren musste.

Bezüglich der Schokolade: Ich weiß nicht, was da in Mexiko schiefläuft mit der Schokolade, denn schließlich kommt ja der Rohstoff, der Kakao, aus Mexiko. Schon die Maya benutzten die Kakaobohnen um Trinkschokolade herzustellen. Dann kamen allerdings die Europäer und entwickelten wunderbare Verarbeitungsformen dieses Rohstoffs. Nicht umsonst ist die Schweizer oder Belgische Schokolade weltbekannt. In Deutschland habe ich immer das Gefühl, dass nicht nur die Schokolade wunderbar cremig und lecker ist, sondern wir auch sehr einfallsreich mit den Geschmackssorten sind – man denke nur mal an Schokoladenkreationen mit Cranberries, Popcorn oder Chili abgesehen von den üblicheren Sorten mit Keks- oder Fruchtfüllung. Ritter Sport bringt jedes Jahr neue saisonale Geschmackssorten raus – es scheint also ein ewig erweiterbares Feld zu sein.

Heute kann man in Mexiko wunderbare Trinkschokolade aus Kakao bekommen (zum Beispiel in Oaxaca) aber die Schokolade als Süßigkeit ist nicht zu vergleichen mit der deutschen. Hier gibt es vor allem mexikanische und US-amerikanische Sorten und die sind längst nicht so cremig, so lecker oder so vielfältig wie in Deutschland sondern schmecken oft nur nach Zucker. Man kann zwar importierte Ritter Sport kaufen, aber auch die sind nicht mehr so lecker wie in Deutschland durch den langen Transport und außerdem kosten sie das vierfache wie zuhause.

Typische mexikanische Süßigkeiten beinhalten eben keine Schokolade und sind mir ehrlich gesagt nach wie vor ein Rätsel, denn die meisten enthalten Chili. Zwar sagen die Mexikaner, das sei doch “süßer Chili”, aber für mich ist es trotzdem leicht scharf und keine Süßigkeit.

Genau so wie mir “vernünftige” Schokolade in Mexiko fehlt, vermisse ich auch die schöne deutsche “Kaffee- und Kuchenkultur”. Neulich sprach ich mit einem mexikanischen Bekannten, der mehrere Jahre in Deutschland gelebt hat. Als seine Gastfamilie 2 oder 3 Leute zum Kaffee einlud, wusste er mit diesem Konzept überhaupt nichts anzufangen, denn in Mexiko wird immer Gott und die Welt eingeladen und Kaffee und Kuchen als Mahlzeit gibt es auch nicht. Dabei ist das eine so wunderbare Gelegenheit zusammenzukommen! Egal ob zuhause oder in einem Café, es ist immer ein intimes Treffen zum Plaudern und wer hat schon keine Lust zum Plaudern über einem leckeren Stück Kuchen und einem Kaffeegetränk?!

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Bezüglich der Kaffeegetränke ist Mexiko auf einem guten Weg, denn es gibt eine ungeheure Vielfalt: Vor allem Frappés und kalte Kaffeespezialitäten gibt es mit allem, was man sich so vorstellen kann: Mokka, Oreo, Schokolade, Cappuchino, Nutella usw. Kuchen allerdings gibt es in Mexiko generell, wenn jemand Geburtstag hat, aber nicht einfach so mal am Wochenende, weil man Lust hat, einen zu backen. Und selbst zum Geburtstag kommt man nicht auf die Idee, den Kuchen am Nachmittag zu verspeisen, sondern es gibt ihn nach dem Abendessen als Nachtisch. Die wenigsten Leute backen Kuchen, meist wird er gekauft. Als meine Familie zu unserer Hochzeit kam, beschlossen wir, dass meine Mama, Tante, Schwester und beste Freundin unsere Hochzeitstorte machen würden. Das stieß bei der mexikanischen Familie auf Verwunderung und meine mexikanische Nichte nutzte die Gelegenheit direkt, um zu helfen und zu lernen, einen Kuchen zu backen. Der Kuchen hier in Mexiko ist auch von der Machart ganz anders als wir es gewöhnt sind: In den allermeisten Fällen sind es mächtige Sahne- oder Cremetorten, ab und zu gibt es auch mal einen Cheesecake, aber auf einen schönen Obst- oder Marmorkuchen kann man lange warten. In Bäckereien gibt es zwar süßes Gebäck, aber was täte ich nicht manchmal für eine Streuselschnecke oder ein Franzbrötchen!

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