Zuhause

In letzter Zeit habe ich viel darüber nachgedacht, wo mein Zuhause ist. Auf den ersten Blick scheint das vielleicht eine leicht zu beantwortende Frage zu sein, aber je mehr ich darüber nachdenke, umso vielseitiger werden auch meine Antworten auf diese Frage. Also habe ich mich jetzt dazu entschlossen, darüber zu schreiben.

Wenn man nach dem Wohnort geht ist die Sache recht eindeutig. Dann ist das Zuhause laut Personalausweis auf eine Adresse festgelegt. Meine Zuhause ist also zum Beispiel die Nummer 7 in der Straße Feldweg in einer mit Postleitzahl bedachten Stadt oder einem Ort. So weit, so gut. Da fängt aber das Dilemma schon an, denn spätestens wenn das Studium beginnt, fragen sich viele junge Menschen, welches nun ihr Wohnort ist – der Ort an dem sie während der Ausbildung wohnen oder doch weiterhin ihr “Kinderzimmer” bei den Eltern? Abgesehen von einer amtlichen Frage (Wo bin ich gemeldet?) ist dies natürlich auch eine emotionale Entscheidung abhängig davon, wie lange man plant, am Ort der Ausbildung zu bleiben oder ob man jede Semesterferien sowieso bei den Eltern verbringen wird.

Bisher habe ich also offiziell an zwei Orten gewohnt – in meinem Heimatort in Schleswig-Holstein und während meines Bachelorstudiums in Hessen. Aber ein Wohnsitz oder ein Haus/ eine Wohnung ist ja noch kein Zuhause… Und außerdem tauchen in dieser Statistik meine diversen Auslandsaufenthalte nicht auf, weil ich während dieser Zeit ja trotzdem in Deutschland gemeldet war.

Christian Morgenstern hat mal gesagt “Nicht da ist man daheim, wo man seinen Wohnsitz hat, sondern wo man verstanden wird.” So gesehen ist Mexiko auf jeden Fall auch meine Heimat, denn dort habe ich mich immer verstanden gefühlt, obwohl ich mich nicht immer so ausdrücken konnte, wie ich wollte. Auch familiär gesehen habe ich in Mexiko ein (zweites) Zuhause gefunden, denn meiner Meinung ist ein Zuhause dort, wo man seine Lieben hat (Home is where the heart is). So kann also auch ein fremder Ort ein Zuhause werden, wenn man sich dort “einlebt” und von lieben Menschen umgeben ist.

“Was hilft es mir, wenn ich in der ganzen Welt herumreise und nirgends zuhause bin?” fragte Paul Schibler einst und ich denke, dass auch solch eine Erfahrung durchaus wichtig ist. Es kann immer passieren, dass das “Zuhause” erschüttert wird durch den Verlust eines geliebten Menschen oder die Veränderung der Umgebung oder sonst was. Ich denke, es ist wunderbar, wenn man ein Zuhause hat wohin man immer wieder zurückkehren kann, aber es ist genauso wichtig, sich in die Welt zu wagen und (zumindest eine Zeit lang) ohne ein greifbares Zuhause zurechtzukommen. Außerdem ist das “Nach Hause kommen” nach einer großen Reise ja noch viel schöner und zumindest ich schätze dann wieder viel mehr, was ich zuhause habe und an anderen Orten nicht. Das können materielle Dinge wie die Spülmaschine sein, von Mama bekocht zu werden oder einfach die Unterstützung der Familie zu spüren.

Während meines Studiums habe ich ein Semester im Süden Brasiliens verbracht – weit weg von sowohl meinem deutschen als auch meinem mexikanischen Zuhause. Und ja, das hatte ich mir so ausgesucht, weil ich Portugiesisch lernen wollte. Während der Monate dort hatte ich durchaus mal Heimweh, weil ich kein wirkliches “Heimatgefühl” bekam, aber ich machte das Beste daraus, reiste viel und studierte fleißig. Am Ende des Semesters kam Gus mich besuchen und fragte mich auf unserer gemeinsamen Brasilienreise, ob ich ihn heiraten wollte! Während ich also in den vorigen Monaten mein Zuhause vermisst hatte, fragte mich Gus nun, ob ich für immer sein und er für immer mein Zuhause sein solle. Das scheint mir im Nachhinein mehr als nur Zufall.

Nun dauert es nicht mehr lange, bis ich ein Masterstudium in Berlin beginne und somit steht für uns bald ein Umzug in die Hauptstadt bevor. Trotzdem haben wir auch weiterhin unser Zuhause bei meiner Familie in Norddeutschland und bei seiner in Mexiko. Ich habe also in den letzten Jahren gelernt, dass mein Zuhause überall sein kann und ich auch mehrere Zuhauses haben kann. Mein Zuhause an der Ostsee ist das älteste und ich muss dabei oft an das Lied denken: “Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer, wie Wind und Weite und wie ein Zuhaus”.  Mein Zuhause in Mexiko ist neuer, noch nicht so “fest” und ich kenne es noch nicht so gut, aber es ist mir genauso ans Herz gewachsen. Beide Zuhauses bestehen aus bestimmten Menschen und Orten. Die Zuhauses verändern sich und können Überraschungen bereithalten und manchmal sind sie auch zusammen, wenn zum Beispiel Besuch aus Mexiko nach Deutschland kommt oder andersherum. Tja, und mein Ehemann ist mein Zuhause egal wo wir gerade sind – ob in Mexiko, in Deutschland oder an irgendeinem anderen Ort in dieser schönen Welt.

One thought on “Zuhause”

  1. Toll geschrieben, ich habe mir darüber auch schon viele Gedanken gemacht, du bringst es auf den Punkt: auch für mich sind mein Mann und mein Kind mein Zuhause, egal ob in Mexiko, Deutschland oder sonstwo. Dennoch fällt es mir manchmal schwer, diese “Zerstreutheit” auszuhalten. Ich wünsche dir weiterhin viel Spaß beim “Zuhause ankommen”!

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